Weisheitszahn und Engstand

Weisheitszähne haben mit Engständen an den vorderen Zähnen selten etwas zu tun

Das Thema kommt bei unseren Sprechstunden alle 3 bis 4 Wochen vor, wenn zum Beispiel wieder ein Jugendlicher Zahnspangenträger mit seinem großen Röntgenbild vom Kieferorthopäden zu uns geschickt wird. Der oder die Kollege/in wünscht von uns die Entfernung der Weisheitszähne. Warum und weshalb erfahren wir von der begleitenden Mutter: "Damit sich die Zähne vorne nicht verschieben". Dann folgt eine typische Auseinandersetzung zwischen uns und der Mutter über die wissenschaftliche Erkenntnis bezüglich der Weisheitszähne und deren Auswirkung auf einen frontalen Engstand. Leider hat diesem Fall der Kieferorthopäde keine zwei Sekunden über die von ihm veranlasste Zahnentfernung nachgedacht. Und würden wir das tun, was wir Deutsche am besten können, nämlich einfach ohne selber nachzudenken funktionieren, dann würden wir als der Hauszahnarzt an dieser Stelle dem Patienten die Weisheitszähne einfach entfernen. Schließlich verdienen wir damit unsere Brötchen. Das Spielchen spielen wir aber nicht mehr mit.


Warum sind wir so sicher, dass Kieferorthopäden ihren Job an dieser Stelle nicht ernst nehmen oder bei dieser Art der Begründung nicht auf dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse sind? Es gibt mindestens 2 wichtige Argumente:
 
1. Nimmt man echte Kindermünder und zieht nur auf einer Seite die Weisheitszähne, auf der anderen Seite jedoch nicht, gibt es trotzdem an den vorderen Zähnen Engstände und zwar symmetrische, d.h. der Unterschied des gezogenen Weisheitszahnes ist nicht nachweisbar.

2. Wird im Unterkiefer ordentlich gedehnt, weil ein sogenannter primärer Platzmangel vorne das Problem war, kommt es in praktisch jedem Fall zu einem Rückfall sobald das Behandlungsmittel (sprich Zahnspange) entfernt wird. Das kann nur aufgehalten werden durch einen Retainer (= auf der Rückseite der Schneidezähne festgeklebter Draht von Eckzahn zu Eckzahn) oder durch das Ziehen eines Schneidezahns in der Unterkiefer-Front.

Die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnis, bestätigt durch drei wissenschaftliche Studien aus England, Mexiko und den Niederlanden in den späten 1990er Jahren, ob Weisheitszähne grundsätzlich entfernt werden sollten, hat ergeben: Nein, es ist nicht notwendig aus diesem Grund die Weisheitszähne zu entfernen!

Also für die, die es bis jetzt noch nicht mitbekommen haben: nicht wir, sondern drei Forscherteams aus England, Mexico und Holland meinen, dass der Spruch "meine Weisheitszähne verschieben die Frontzähne, deswegen stehen die jetzt ganz schief" schlichter Unsinn ist. Und zwar mit entsprechenden echten Patientenfällen als Beweise. Wir diskutieren also nicht über unsere Phantasien oder Ideen, sondern haben so etwas wie eine wissenschaftliche Grundlage.

Es ist recht anstrengend, jedes Mal die unfruchtbare Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Weisheitszahnentfernungen im Jugendalter wieder aufzugreifen. Aber im Interesse einer korrekten Beratung von Ihnen als unser Patient sehen wir uns dazu gezwungen. Wir werden uns selber und unseren „Engstand-in-der-Unterkieferfront-Fällen“ nach Kenntnis dieser Evidenz jedenfalls keine überflüssige kieferchirurgische "Therapie und Vorsorge" angedeihen lassen, zumal ca. 1% dieser Eingriffe schwere Folgen nach sich ziehen, und damit sind keine dicke Backe oder zwei Wochen Zahnschmerzen gemeint sondern chronische Schmerzen und/oder dauerhafter Gefühlsausfall im Unterkieferbereich.  

Schlagzeilen

Unter einer Osteotomie versteht man ein operatives Durchtrennen von Knochen oder die Ausschneidung eines Knochenstücks. Dies ist erforderlich, um beispielsweise im Knochen liegende Zähne oder Zahnreste, wie z.B. Wurzeln, zu entfernen.

Die Entfernung der im Verlauf des Lebens häufig zu Komplikationen führenden Weisheitszähne ist oftmals eine Osteotomie. Nur selten haben diese Zähne ausreichend Platz, um sich regulär in die Zahnreihe als letzter Zahn einreihen zu können.

Operatives Vorgehen

Mit einer lokalen Anästhesie in Form einer Spritze wird das zu operierende Gebiet betäubt. Hierbei ist zu beachten, dass keine Allergie des Patienten gegen das Anästhesiemittel und keine akute Entzündung vorliegt. Unter Abklappung des Zahnfleischs wird der Kieferknochen freigelegt. Mittels rotierender Instrumente trägt man unter Wasserkühlung so viel Knochensubstanz ab, um die dortigen Zähne oder Zahnreste (Wurzeln) entfernen zu können. Anschließend wird der Operationsbereich durch Nähte verschlossen, die nach wenigen Tagen, nach Verheilung der Wunde, entfernt werden. In den nächsten Monaten "durchbaut" und regeneriert sich der entstandene Knochendefekt. Sollen mehrere Zähne oder gar noch weitere vorhandene Zahnanlagen gleichzeitig entfernt werden, ist vom Arzt der Umfang der Operation abzuschätzen. Gegebenenfalls werden mehrere Termine mit entsprechendem zeitlichem Abstand geraten. Unter bestimmten Umständen, wie z.B. geistiger Behinderung, unruhigem kindlichem Verhalten, extrem schwierigen dentalen Situationen etc., ist auch eine Operation in Vollnarkose möglich. Es ist stets zu beachten, dass der Patient auch nach kleineren chirurgischen Eingriffen ein oder mehrere Tage arbeitsunfähig sein kann.

AVB/AGB     Impressum      Datenschutz